Dienstag, 14. Dezember 2010

Weihnachten bei Freunden

Meist kommt die SMS am 23. Dezember, wenn ich schon im Zug zu meinen Eltern sitze. The same procedure as every year? Meine Freundin hat am 24.Dezember Geburtstag. An ihrem 16. Geburtstag haben wir zuerst reingefeiert. Wir haben eine Flirthotline angerufen und einen armen Kerl auf eine einstündige Reise geschickt ins Nirgendwo. Wir haben ein Kondom aufgeblasen und dann quer durch das Zimmer fliegen lassen. Sie fand das Kondom erst wieder genau ein Jahr später, als sie für die Party unter dem Bett aufräumte. Und wir trunken pappsüßen Asti und Batida de Coco mit Kirschsaft. Ich war zum ersten Mal richtig angetrunken auf einer dieser Partys.

Wir waren meist ein harter Kern von fünf Leuten. Ich, K., B., A. und T. . Mal kamen andere hinzu, aber wir waren die ersten Jahre immer da. Und jeden 23ten kamen wir und machten die Nacht durch. Wir gingen alle auf die selbe Schule. Nur A. war in einer anderen Klasse, aber man sah sich ja in den Pausen. Dann verließ B. die Schule. Ihre Noten waren einfach zu schlecht. Irgendwann kam sie nicht mehr. Der Rest machte Abi zusammen. Dann ging T. zuerst nach Heidelberg, dann nach Frankfurt. Ich ging nach Freiburg. Nur A. und K. blieben in der Nähe. Und leider sahen wir uns dann immer weniger, aber immer am 23ten.

Wir tranken dann kein Asti mehr. Das Zeug ist eigentlich widerlich süß. Und Flirthotlines riefen wir auch nicht mehr an. Mit unseren Freunden, die wir immer öfter mitbrachten, wurde das auch merkwürdig. Statt Kondomen und Flirthotlines spielten wir Tabu und blamierten uns ungeniert beim Karaoke. Dann lud K. ihre Freunde vom Chemie-Studium ein. Leider fanden die neuen Freunde weder Tabu toll, noch Karaoke, noch sonst irgendetwas was vielleicht Spaß machen könnte. T. und ich hatten immer die Theorie, dass sie das Chemie Institut nur zum Essen und eben an diesem 23ten verließen, um sich dann über Chemie zu unterhalten. Bis ich diese Leute kennenlernte, dachte ich immer, ich wäre langweilig. Die Party zu ihrem 26ten endete damit, dass K. sich in der Küche einschloss und mit ihrem Freund über die Chemie-Zombies stritt, die bei ihnen im Wohnzimmer saßen. Seitdem hat sie die nicht nochmal eingeladen.

Auch die Ansammlung von alten Schulfreunden lud sie nicht mehr ein. Je größer die Partys waren, desto öder wurden sie meist. Aber wir vier kamen immer noch zusammen. Vor zwei Jahren hat A. dann geheiratet. Die Party davor kam sie nur kurz mit ihrem Zukünftigen vorbei. Es waren nur wir drei noch. K. hatte sich von ihrem Freund und damit von einigen Chemie-Zombies getrennt. S. eine Nachbarin, die auch oft vorbeikam, besuchte K. in ihrer neuen Single-Wohnung und wir hatten mal wieder so richtig Spaß. Leider fanden das die Nachbarn nicht genauso toll und das darauffolgende Jahr lud sie wieder uns zwei und ein paar andere Schulfreunde ein. Es war sehr lustig, aber hatte nicht viel von unseren früheren Blödelabenden. Es war eine sehr intime Ausgabe von "Was macht eigentlich...?", nur eben nicht auf der letzten Seite des Sterns, sondern im alten Kinderzimmer von K. im Haus ihrer Eltern. Einige arbeiteten jetzt. Manche studierten noch. Viele reagierten mit aufgerissenen Augen auf die Nachricht, das Alex nun verheiratet war. "Wir werden alt", klagte eine von uns. Mein Freund meinte nachher, es wäre ein fürchterliche Weiberrunde gewesen und obwohl ich ihm still zustimme, hatte ich viel Spaß.

Ich bin kein melancholischer Mensch. Ich wünsche mich nicht in das 16-Jährige Ich zurück. Nein, ich will genauso viel Spaß haben am 23. wie ich es eben als 16-Jährige hatte. Ich will mich nicht treffen, um den guten, alten Zeiten nachzutrauern. Was ich will, ist neue gute Zeiten schaffen, so dass ich meinen Kindern nicht irgendwann erzählen muss, dass ich mit 28 selbst zu einem Zombie mutiert bin, der nur noch ein Thema hat.

Ich war neulich mit meinem Freund in einem Club. Das wollte ich schon lange machen, aber irgendwie kam es nie dazu. Und an diesem Wochenende bin ich dann spontan um halbdrei nachts von einer anderen Feier dahin gelatscht, leicht angetrunken, um ihn da zu treffen und wir hatten unseren Spaß. Es ist nie zu spät, neue Erfahrungen zu machen und alte Gewohnheiten über den Haufen zu werfen. Ich will nicht, dass der 23. zu einer Ausgabe von "Die ultimative Schulzeit-Show" verkommt. Ich sehe vor meinen Augen schon Gülcan, wie sie laut kreischend eine Rückblende auf Mathe bei Herrn Beck kommentiert. "Ach, das waren Zeiten, Kinders!"

Stattdessen habe ich mir vorgenommen am 23. mal wieder etwas aktuelles aus meinem Leben zu berichten. Klar, ich hatte ein scheiß Jahr, aber das hake ich unter "wertvollen Erfahrungen" ab. Und sicher, Praktika sind nicht gleich fester Job, aber, hey, ich habe Spaß, probiere mich aus. Warum sollte ich so tun, als würde mit 28 alles geregelt sein? Der Gedanke ist doch eigentlich grauenhaft. Stattdessen habe ich die letzten zwei Monate viel dazu gelernt, Selbstvertrauen getankt und neue Ideen gekriegt. Und genau das werde ich mit meinen alten Freundinnen am 23. teilen. Bei denen ist doch sicher auch nicht die Zeit stehen geblieben.

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